Dienstagabend, 19.35 Uhr. Fünf Fahrzeuge des Technischen Hilfswerks (THW) Wanne-Eickel, angeführt von der mit Computern gespickten Zentrale in einem Fiat Ducato, fahren mit Blaulicht über die Josef-Prenger-Straße auf den Hinterhof des Marienhospitals in Börnig. Zwei Bergungsgruppen, ein Zugtrupp und eine Fachgruppe Beleuchtung. Ingesamt 25 Mann. Für die Hälfte von ihnen, alle um die 20 Jahre und seit gut einem Jahr dabei, ist es der erste Einsatz. Im Gefolge des THW sind zwei Wagen des DRK. Ziel des Konvois ist ein dreistöckiges Gebäude, von den Krankhausmitarbeitern „Schwarzwaldklinik” genannt. Bei Bauarbeiten hat sich eine Explosion ereignet. Das Gebäude ist schwer beschädigt. Fünf Menschen werden vermisst. So lautet das Szenario der Übung.
Zugführer Ralf Bruns (37) wird kurz und knapp über die Lage informiert, während sechs Mann mit vereinten Kräften schon einmal den Anhänger mit der Beleuchtungsmast in Position bringen. Drei Minuten später brummt der Dieselmotor und hüllt das Gebäude in helles Licht. Die Suche nach den Verletzten, die sich irgendwo auf den etwa 2000 Quadratmetern befinden, beginnt.
„Solche guten Übungsbedingungen gibt es nicht oft. Danke an das Marienhospital”, sagt Aimo Glaser (56), THW-Ortsverbandsvorsitzender in Wanne-Eickel. Gut, deshalb, weil das 50er-/60er-Jahre Gebäude mit den roten Backsteine, dem beigen Klinker und den Glasbausteinen leersteht. Und weil es im Frühjahr 2010 abgerissen wird. „Da kann man dann auch mal eine Wand durchbrechen”, so Glaser.
Kann man nicht nur, muss man. Es wäre ja auch zu einfach, könnten die THW-Helfer in ihren blauen Anzügen, den schwarzen Sicherheitsschuhen an den Füßen und den gelben Helmen auf dem Kopf einfach so durchs Treppenhaus spazieren. Die „einfachen” Wege sind mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Verbotene Zone. Die Helfer müssen andere Wege suchen. Von außen über Leitern ins zweite Obergeschoss. Oder mit einer Flex, mit der mühsam das Gitter vor einem Fenster im Sockelgeschoss entfernt werden muss, aus dem laute Hilfeschreie zu vernehmen sind. Oder mit dem Brecheisen, mit dem verschlossene Türen aufgebrochen werden. Und auch der klobige Vorschlaghammer darf nicht fehlen, wenn es gilt, eine Wand, die Helfer und Opfer trennt, zu überwinden. Die dumpfen Schläge schallen durch das gesamte Gebäude, stetig begleitet vom Funksprüchen. „2291 an 2292, kommen! Macht euch schon mal über die zweite Etage Gedanken. Und gebt Gas!”
20.46 Uhr. Der erste Verletzte wird mit einem Schleifkorb, einer speziellen Trage, den DRK-Helfern übergeben. Schädel- und Beinverletzung. Er heißt Sebastian Raaben. Der 23-jährige Maschinenbau-Student ist seit etwas mehr als einem Jahr beim THW Wanne-Eickel und gehört zur Fachgruppe Elektroversorgung. Die kommt heute nicht zum Einsatz und stellt daher die Verletzten. „Das ist mal was anderes, eine Erfahrung wert”, sagt Sebastian Raaben. Beim nächsten Mal will er aber bei den Rettern sein.
Zu denen gehört Markus Günther heute zum ersten Mal. „Ganz cool, ich bin echt zufrieden”, sagt der 18-jährige Auszubildende. Nervös sei er nicht gewesen, „aber man macht sich schon so seine Gedanken, was auf einen zukommt”.
Auch Ralf Bruns, hauptberuflich Bauingenieur und seit 20 Jahren beim THW, ist zufrieden. „Die gestellten Aufgaben sind gelöst, alle Verletzten gefunden und versorgt.” Die jungen THWler seien ins kalte Wasser geworfen worden. Für sie ging es vorwiegend darum, dass bisher erlernte Basiswissen anzuwenden. Dazu gehören zum Selbstschutz auch Unfallverhütungsvorschriften. „Und wenn die einmal nicht beachtet wurden, stand immer einer daneben, der noch mal darauf hinwies. Wo sollen die Jungen denn lernen, wenn nicht bei einer solchen Übung?”, fragt Ralf Bruns rhetorisch.
22.21 Uhr. Alle fünf Verletzte sind geborgen und versorgt. Ende der Übung. Die Strahler erlischen. Die Ausrüstung wird eingesammelt. Das THW zieht wieder ab.